HELMUT LODER'S Adventkalender
Türen ins Licht |
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21 „Weihnachtstüren, Büchertüren“
Kindertüren fürs Geheimnis.

Im Katechetischen Institut in Graz sah ich vor einiger Zeit eine interessante, ins Auge springende, architektonische Lösung: Ein Raum besaß mehrere Türen. Zu viele. Um Abhilfe zu schaffen, verstellte man eine Tür von einer Seite mit einem Kasten und in den entstandenen Raum der – nutzlosen, entfremdeten – Tür befestigte man Regale für Bücher. Eine Bücher-Tür. Optimal genutzt. Praktisch und ästhetisch. Eine saubere Lösung. Statt Durchgang Zugang, zu hunderten Büchern. Bücher haben es sowieso in sich. Sie sind aus der Vorweihnachtszeit nicht wegzudenken.

Alljährlich gibt es unter den zahllosen Neuerscheinungen für das große „Kinderfest“ auch viele Kinderbücher. Die Qualität ist unterschiedlich, aber immer wieder findet der interessierte Leser eine anregende Geschichte, ein Bilderbuch voller Überraschungen und neuen Zugängen zum Fest der Feste. Und manchmal spielen dabei auch Türen eine Rolle.

Max Bolliger, ein etablierter Autor für sensible behutsame und religiöse Texte, beschreibt in seinem Buch „Wintergeschichte“, wie ein Junge, der „draußen vor der Tür“ stehen muss, unterdrückt und ausgebeutet wird, friert, sich auf den Weg macht und dem Stern folgt, der ihn zum Kind führt. Die Weihnachtsgeschichte wird als Weg in die Freiheit gedeutet. Als Aufhebung allen Unrechts, gegen jede Logik und Erwartung. Die Verwandlung des ungerechten Peinigers in einen Menschen, der mit ihm teilt und sich dem Kind öffnet, ist anschaulich dargestellt. Die Verfolgung des scheinbaren Diebes endet fast mit dem Tod des Unterdrückers. Die wundersame Rettung geschieht in Verbindung mit der Geburt im Stall: „Der Mann versank immer tiefer im Schnee. Er stöhnte und rief: Ich kann nicht mehr; ich kann nicht mehr. Da legte sich der Sturm. Es hörte auf zu schneien, und der Mann sah einen großen Stern am Himmel. Der Stern stand über einem Stall, mitten auf dem Feld. Durch ein kleines Fenster drang das Licht einer Hirtenlampe. Der Mann ging darauf zu. Als er die Tür öffnete, fand er alle, die er gesucht hatte ...“ Eine Geschichte, klar und prägnant. Ohne Schnörksel erzählt. Ein Versuch, abseits der klischeehaften Weihnachts(mann)geschichten die Frohe Botschaft der Menschwerdung mit viel Einfühlungsvermögen für die kindliche Seele zu verkünden. Wenn Gott Mensch wird, werden auch die Menschen zu wahrhaften Menschen. Ein hervorragendes Beispiel für die „Übersetzung“ des Rettungsmotivs in Bilder, die jeder verstehen kann. Wenn man es will.

Ein anderes Kapitel sind die Weihnachtslegenden. Schon die biblischen Berichte um die Geburt Jesu sind voller Wunder. Engel verkünden die Ankunft des göttlichen Kindes, ein heller Stern erscheint am Himmel. Fremde Sterndeuter kommen von weither, um das Kind anzubeten. Die Weihnachtslegenden, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind, erzählen von wundersamen Ereignissen in der Heiligen Nacht. Biblische Überlieferung, frommer Volksglaube und Reste heidnischen Wunderglaubens haben sich in vielen Legenden gemeinsam niedergeschlagen. Eine Erzählung von Jean und Jerome Tharaud „Die letzte Besucherin“ möchte ich als Beispiel anführen. Und wieder spielt eine Tür eine wichtige Rolle:

„Es war am Ende jener Nacht in Betlehem. Der Stern, der die Geburt des Kindes angezeigt hatte, begann zu verblassen. Der letzte der Heiligen Drei Könige war gegangen. Maria schüttete das Stroh in der Krippe auf, damit das Kind endlich schlafen konnte. Da öffnete sich die Stalltür, ganz sacht, als hätte ein Windhauch sie bewegt, und eine Frau erschien auf der Schwelle. Sie war barfuss und ganz in Lumpen gekleidet. Falten und Runzeln durchzogen ihr uraltes Gesicht, dass es aussah wie ausgetrocknete Erde. Maria erschrak bei ihrem Anblick. Doch Ochs und Esel kauten gleichmütig ihr Stroh und sahen die Fremde ohne Erstaunen an, als hätten sie schon auf sie gewartet.

Maria ließ die Alte nicht aus den Augen. Unaufhaltsam bewegte sie sich auf die Krippe zu. Glücklicherweise schlief das Kind. Doch als die Alte sich zu ihm herabbeugte, öffnete es die Augen, und Maria stellte verwundert fest, dass die Augen ihres Kindes und die der alten Frau sich ähnelten: Beide waren erfüllt vom Glanz der Hoffnung. Die Frau kniete vor der Krippe nieder und begann, in dem Durcheinander ihrer Lumpen zu wühlen. Es dauerte endlos lange, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Maria schwieg und beobachtete sie voller Misstrauen. Endlich zog die Alte etwas unter ihren Lumpen hervor und überreichte es dem Kind. Maria trat einen Schritt näher. Was in aller Welt war das für ein Geschenk, das die Alte mitgebracht hatte? Maria reckte sich, aber sie konnte es nicht erkennen. Sie sah nur die Hände der Frau, ihre knochigen Finger, die vom Alter gekrümmt waren. Die Fremde kniete lange vor der Krippe und betrachtete tief versunken das Kind. Dann erhob sie sich mit einer Bewegung, als sei sie nun von einer sehr schweren Last befreit, die sie lange auf den Boden niedergedrückt hatte. Auf einmal straffte sich ihr Rücken. Kerzengerade stand sie da. Ihr Kopf berührte fast das niedrige Stalldach, und ihr Gesicht hatte sich auf wunderbare Weise verjüngt.

Als sie zur Tür ging und in der Nacht verschwand, aus der sie gekommen war, konnte Maria endlich das geheimnisvolle Geschenk sehen. Es war die Frucht aus dem Paradiesgarten - jene Frucht des ersten Ungehorsams, von der die alten heiligen Schriften berichten. Sie glänzte in den Händen des Kindes wie der neue Erdball, der mit ihm geboren worden war.“

Ein Tür geht auf. Eine geheimnisvolle Besucherin schneit herein. Übergibt dem Kind in der Krippe ein seltsames Geschenk. Und wird daraufhin geheilt, verjüngt, glücklich. Die Frucht als Zeichen der Versöhnung: Gott hat dem Menschen verziehen. Jesus Christus als der, der die Welt neu macht. So bildhaft drücken es die Weihnachtslegenden aus. Stossen Türen zum besseren Verständnis der Weihnachtsgeschichte auf. Wundervolle Türen für das große Geheimnis. Und sicher gibt es noch viele gute Kinderbücher-Türen im Bücherberg vor Weihnachten. Nachschauen, umschauen.