HELMUT LODER'S Adventkalender
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Stallgeruch

Wann immer einem zu Weihnachten nicht nur ein Strohstern einfällt oder das liebe Christkind, sondern eine Erinnerung an einen ganz bestimmten Geruch aufsteigt, dann ist es schon ein Nachdenken wert. Weihnachten kann man riechen. Besonders der Advent hat eine eigene unverwechselbare Duftnote.

In der Erlebnis- und Konsumgesellschaft all jener Zeitgenossen, die unbeschwert von Existenzängsten und -sorgen ständig auf der Suche nach ultimativen Erlebnissen und sinn gebenden Erfahrungen sind, ist die Sehnsucht nach dem Duft, der exklusive Erfahrungen verspricht, groß. Das Leben ist weitgehend genormt, die Arbeit wenig aufregend und die Freizeit anstrengend. Wen wundert es, wenn der Duft ein ganz besonderer sein soll?

Schon in der Heiligen Schrift und den uralten Riten der Kirche kommt der Duft zu seinem Recht, aber Advent und Weihnachten haben ihn besonders populär gemacht und hineingeholt in die Häuser und Wohnungen der Menschen, in ihre Versuche, das Fest zu gestalten und zu formen. Dem Wesen des Menschen entspricht es, dass Symbole und Zeichen auch durch die Nase ziehen müssen. Beim Weihrauch erleben wir es intensiv.

Bischof Reinhold Stecher lässt in seinem Buch "Das Geschenk der Weihnacht" im Kapitel "Der Duft der Weihnacht" ein kleines Mädchen feststellen, dass man "Weihnachten riechen kann": "Mutti, Weihnachten kann man riechen!", sagte das kleine Mädchen. An diesem Kinderwort, das ich einmal gehört habe, ist etwas Wahres dran. Kindernasen sind feinfühliger als unsere abgestumpften, zivilisationsgeschädigten Erwachsenenriechorgane, und wir alle werden uns daran erinnern, dass bestimmte Düfte, die durch unser Elternhaus zogen, ein Hinweis darauf waren, dass ein Fest bevorstand, und sie versetzten uns in Spannung und Aufregung. Ein paar brennende Kerzen aus Bienenwachs, etwas Tannenreisig im Ofen, der Geruch von frischgebackenen Lebkuchen - das alles ergab ein Bouquet, gegen das die feinsten französischen Parfüms nichts waren."

Bevor ich dieses Zitat entdeckte, war mir längst klar geworden, dass die Advent- und Weihnachtszeit keine trockene theoretische religiöse Angelegenheit ist, sondern ein Fest des ganzen Menschen. Und für ein Fest brauchen wir viele Elemente, die den Menschen mit seinen Sinnen erfüllen und erfreuen: Etwas zum Anschauen, zum Zuhören, zum Angreifen und ... zum Riechen!

Jedem von uns ist einsichtig, dass Duftspuren beziehungsweise Erinnerungen an Düfte und Gerüche unser Leben begleiten und nachhaltig prägen. Sie markieren Feste und Zeiten.

Der Schriftsteller Heinz Janisch hat in seinem großartigen Buch "Salbei und Brot" eine Geruchs- und Erinnerungs-Ausstellung der feinsten Art vorgestellt. Er verdeutlicht durch viele Interview-Beispiele mit Künstlerinnen und Künstlern wie auch mit"gewöhnlichen" Erwachsenen, wie unser ganzes Leben geprägt ist von den Geruchserlebnissen der Kindheit und der realen Umwelt. So ist es nur allzu begreiflich, einmal nicht genauer hinzuschauen oder hinzuhören, sondern hineinzuriechen, die Nasenflügel weit zu öffnen, die Gedanken ausschwärmen zu lassen, um mehr von diesem unverkennbaren Geruch und Duft des Weihnachtsfestes mitzubekommen.

Weihnachten hat seinen besonderen Duft, und hinterlässt einen besonderen Eindruck. Es ist die "Duftspur eines menschenfreundlichen Gottes". Gott kann den Menschen gut riechen.
Er liebt ihn und schenkt sich selber den Menschen in seinem Sohn Jesus Christus.

Es ist Zeit, die Nase in den Wind von Bethlehem zu halten.
Lassen wir uns betören von den vielen Duftspuren eines wunderbaren Festes.