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Vorbemerkung
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Ein Fastenprojekt von Helmut Loder

1 AUS_WEG

Aus. Und weg. Aus-Weg … Fastenzeit. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Weg mit dem Genießen und dem unbeschwerten Leben.
Fasten als Einschnitt, als 40tägige Auszeit. Klingt fast wie eine Drohung.

Ist die Fastenzeit aber tatsächlich nur ein „AUS_WEG“? Ein „Aus und vorbei“? Mit dem Lachen, der Freude und dem Glück? Für nicht wenige Mitmenschen beginnt heute mit dem Aschenkreuz wieder ein dunkler Abschnitt des Jahres. So, als käme damit das finstere Mittelalter mit dem strengen Fastengebot – Wasser und Brot – wieder. Ein Weg in die gefürchtete Enthaltsamkeit von allem, was zum guten Leben mit „Party, Lust und Zerstreuung“ dazu gehört. Aus, weg damit. Ein AUS_WEG eben.

Es soll nicht verschwiegen werden, dass es zwischendurch auch ernstzunehmende Diätpläne gibt. Für die unübersehbar gewordenen Speckfalten des Körpers und der Seele. Vorsätze zum Weniger Nehmen, regelrechte Hitlisten der Askese. Genüssliches Kasteien, opulent zubereitet und aufgetischt. Konsumbeschränkung usw.

Nur: Ist die Zeit der „40 Tage ohne“ bis zum großen Fest ernsthaft nicht eher ein AUS_WEG in die andere Richtung, ein „AUS_WEG in die Zukunft“, der Weg zum Überleben? Ein Trainingsparcours für die rar gewordenen Tugenden der Einfachheit, der bewussten Zurücknahme, des Entschlackens und der Besinnung auf die Tugenden der Bewahrung des Lebens, der Schöpfung und der Liebe?

Fasten ist längst der AUS_WEG. Ein Rettungs-, Hilfe-, Richtungsweg. Egal ob religiös unterfüttert oder nicht. Die Richtung ist angezeigt. Wir kennen die Gasse. Es fragt sich nur, wer geht den Weg tatsächlich. Mit wem? Und wann brechen wir – du und ich – auf? Und gehen Jesus nach ...

P.S.: In der Minoritengalerie in Graz zeigt Bruno Wildbach Bilder von Menschen, deren Eltern – zumindest ein Partner – keinen Ausweg mehr in ihrem Leben gesehen haben. Und ihrem Leben ein Ende setzten. Der Tod und das Leben. AUS_WEGE sind eigentlich positiv besetzt. Wege aus dem Schlamassel. Das Leben wegzuwerfen, abzukürzen, vorzeitig zu Ende zu bringen, ist keine Lösung. Und doch sehen viele in unseren Tagen keinen anderen Weg mehr. Sondern nur AUS_WEGE. Darauf sollten wir auch hinsehen. – www.minoritenkulturgraz.at

 

2 LABYRINTH_WEG

Aus. Und weg. Aus-Weg ... Fastenzeit. Aus den Augen, aus dem Si "gehen im labyrinth des lebens, gehen, bis ich erfüllt aufgehe im heiligen strom des lebens und mensch werde, zuhause auf erden wie im himmel, im außen und innen, stets die mitte suchend ... "

Labyrinthe faszinieren jung und alt. Ein solcher verschlungener Weg, der sich kreisförmig um eine Mitte windet, findet sich seit etwa 5 Jahren vor der Gleisdorfer Pfarrkirche. Aber auch vor der Schule in Kirchbach, ausgelegt aus Steinen, animiert das Labyrinth Kinder und Jugendliche zum Nachgehen. Ein Weg, der viele in seinen Bann zieht.
Labyrinthe gibt es seit Jahrtausenden. In Höhlen und Palästen, in christlichen Kirchen und römischen Bädern, in Gärten, Friedhöfen oder Büchern. Die lateinische Wortannäherung „labor intus“ führt auf eine heiße Spur: Beim Labyrinth geht es wie beim Pilgern immer um ein inneres Geschehen, um die Suche nach dem inneren Lebensweg. Eigentlich sind es Schritte zur „Weltergehung“. Sich auf die Spur nach dem Sinn des Lebens und der Welt machen. In die Mitte vorstoßen.
Wegerfahrungen werden im Labyrinthweg inszeniert: Scheinbares Umkehren, Zurückgehen, nach vorne streben, in eine Sackgasse kommen, das Ziel aus den Augen verlieren. Jedes Labyrinth ist eine komplexe Raum-Figur. In der Basilika San Vitale in Ravenna bildet es zudem den Anfang des Pilgerweges nach Santiago de Compostela.
In der Mitte eines ähnlichen Labyrinths im Bundesschulzentrum Deutschlandsberg zeichnete der damalige Kaplan Martin Waltersdorfer vor 3 Jahren den Schülerinnen und Schülern zum Start der Fastenzeit ein Aschenkreuz auf die Stirn. Das Kreuz aus Asche als Startsignal. Und das Labyrinth Ausgangspunkt eines späteren Pilgerwegs nach Mariazell.
In der Mitte des auf den Boden geklebten Labyrinths lag auch ein Kreuz, umwickelt mit Packpapier. Darauf schrieben die jungen Leute ihre Wünsche und Anliegen, schlicht und einfach das, was zu den Erfahrungen ihres Lebens(weges) gehört. Aus dem Labyrinthweg wurde plötzlich ein Kreuzweg.
Fasten und Gehen. Im Labyrinth. Dem Leben auf der Spur. Eine von vielen Möglichkeiten, das Leben in Bewegung zu bringen. Und sicher ins Ziel. Und nebenbei auch sich selbst wieder entdecken...

P.S.: Wer sich intensiver mit dem Phänomen des Labyrinths auseinandersetzen möchte, sei auf mehrere Bücher von Gernot Candolini aus Innsbruck verwiesen:
Candolini, Gernot: Labyrinthe, 13,20 EUR, Claudius Verlag, 160 Seiten. Das geheimnisvolle Labyrinth. Eine gebundene Ausgabe – Pattloch Verlag. Im Labyrinth Aufbruch zur Mitte.

 

3 SCHATTEN_WEG

Aids macht müde. Macht müde Menschen … tot. Ein SCHATTEN_WEG unserer Zeit. Besonders für die Menschen in Südafrika. SCHATTEN_WEGe. Ein seltsames Wort. Ungewöhnlich. Ein Fundstück aus dem Buchprospekt: So heißt nämlich ein FrauenFastenKalender: „Lichtwege – Schattenwege“. Im Untertitel ist die Rede von dunklen Wegen. Besonders für Frauen.

SCHATTEN_WEGe gibt es rundum. Denn wo viel Licht (und Wohlstand), gibt es auch Schatten, Dunkelheit, Angst, Bedrohung. Wege, die niemand gern geht. Besonders, wenn der Weg durch ein finsteres Waldstück führt. SCHATTEN_WEGe – Erinnerungen aus der Kindheit und Erfahrungen der Jetztzeit.

SCHATTEN_WEGe meint aber auch die Lebenswege behinderter, betagter und in ihrer Lebensqualität massiv eingeschränkter Menschen. SCHATTEN_WEGe sind verbunden mit Angst und Furcht kranker und älterer Frauen und Männer, verarmt, ohne Lobby. Schon Bertolt Brecht notierte hellsichtig und doppeldeutig: Die im Dunkeln sieht man nicht. Die Abgeschobenen und Ausgesperrten, die ihr Leben längst nicht mehr in den Griff kriegen, die Drogensüchtigen und Verstörten, die Unangepassten. Ausgemustert aus der Leistungsgesellschaft, aus dem Lichtkegel der Sieger und Gewinner.

SCHATTEN_WEGe kennen wir auch in uns selbst. Die verschlossenen Räume mit dem kleinen Geheimnis, die Über-Gänge mit dem verborgenen Entsetzen, die uneingestandene Schuld, die wir mit uns herumtragen. SCHATTEN_WEGe sind gefürchtete Wege. Wege der Verzweiflung, Angst und Bedrohung. Es sind die täglichen Wege südafrikanischer Frauen und Kinder. Der Ökumenische Weltgebetstag der Frauen, den wir heute feiern, zeigt dieses Unheil, die „Zeichen der Zeit“ ungeschönt auf: Armut, Arbeitslosigkeit und das Elend einer immer größer werdenden Zahl von HIV-Positiven und Aids-Waisen.

Auf der Straßenkarte der Fastenzeit sind die SCHATTEN_WEGe deutlich erkennbar, schwarz eingefärbt. Aber heute sind wir aufgefordert, mit den Frauen in Südafrika zu beten: „Fasst Mut im auferstandenen Herrn, dem Zeichen für alle Zeiten, der einzigen Quelle der Hoffnung und Freude! Feiert unser neues Leben in Christus …!“ Es ist mehr als ein Lippenbekenntnis, ein kleines Zeichen gegen die Schatten auf den Lebenswegen unserer südafrikanischen Geschwister im Herrn. Wir sollten sie zu uns ins Licht holen!

Hinweis: Mehr Infos zu den Anliegen und Gebetsfeiern des Schwerpunktlandes Südafrika findet man unter www.weltgebetstag.at

 

4 STERNEN_WEG

Ein langer alter Weg. Der STERNEN_WEG nach Santiago de Compostela. An die 1000 km weit zieht sich dieser Kraftweg aus dem Norden Europas bis zum Ende der (damaligen) Welt: Finisterre. Der Jakobsweg. Ein Pilgerweg auf alten Pfaden. Den Sternen entlang.

Pilgern und Wallfahren liegt im Trend. Sich auf den Weg machen, auf den Spuren der Pilger aus längst vergangenen Zeiten unterwegs sein. Allein oder in Gruppen, meditierend, und viel Zeit haben zum Nachdenken und Beten. Vorbei an mittelalterlichen kleinen Weilern, bedeutenden romanischen Klöstern und Kirchen. Halt machen, und sich neugierig umsehen. Die Schönheit der Landschaft genießen.

Gemeinsam unterwegs sein mit anderen Pilgerinnen und Pilgern. Über Gott und die Welt reden, Freundschaften schließen, zusammen essen und lachen, singen und schweigen. Der Weg entsteht, indem man geht. Für wen gehe ich? Wen nehme ich mit in Gedanken auf meine Reise, auf meinen „STERNEN_WEG“? Worauf läuft mein Leben hinaus?

Fragen und Zweifel bringen die Pilger mit, Sehnsüchte brechen auf. Wallfahrtsorte und Pilgerwege sind gewissermaßen spirituelle Müllabladeplätze, Orte sakramentaler Entsorgung. Versöhnung und Zuspruch stehen bereit. Am Cruz de ferro auf dem Rabanalpass dürfen Pilger einen Stein wegwerfen, dazulegen zum gigantischen Steinhügel. Wir brauchen unsere Last nicht ständig mit uns herumschleppen. Sisyphus ist passe. Loslassen ist angesagt. Pilgern fällt so mancher Stein vom Herzen.

Der STERNEN_WEG fasziniert. Es sind viele Tage Exerzitien unter freiem Himmel, einfach im Gehen. Im Schweigen sich selber neu und besser wahrnehmen. Das tut gut, denn jede/r von uns braucht solche Zeiten und Wege der Besinnung und Klärung.
In diesen Tagen – heute, morgen? – sind wir eingeladen, unseren ganz persönlichen „STERNEN_WEG“ zu gehen, mit lieben WegbegleiterInnen eine individuell bemessene Zeit im Gebet und Schweigen zu verbringen.

Ich bin sicher, er liegt gleich um die Ecke. Was werde ich mitbringen als Erkennungszeichen des Pilgers? Was kann ich von diesem Weg in meinen Alltag retten?

 

5 FLUCHT_WEGe

Mk – 1,12-15
Jesus in der Wüste

Flüchten, rennen, hasten.
Davonlaufen. Sich in die Flucht schlagen lassen. Sich verkriechen.
Vor dem Lärm und der Hektik. In die Wüste gehen.

Allein sein wollen. Nichts mehr hören und sehen, nur die Stille laut hören.

Die Weite und Leere. Die Wüste.

Mehr als ein Abenteuer. Einfach ein FLUCHT_WEG .

Die Wüste als rettender Ort. Schon immer. Seit Menschengedenken.
Zufluchtsort und Zielort für Suchende. Für die Orientierungslosen.

FLUCHT_WEG Wüste. Auch für Jesus? Auch für ihn.

FLUCHT_WEGe müssen offen bleiben. In Lokalen und Gaststätten. Sagt das Gesetz.
Für den Fall der Fälle. Damit man sich in Sicherheit bringen kann. Retten kann.

Millionenfach sind Menschen auf der Flucht. Vor Armut und Elend. Unterdrückung und Verfolgung. Dann braucht man gute FLUCHT_WEGe . Offene Türen, offene Grenzen.

Welche FLUCHT_WEGe benütze ich? Wovor flüchte ich? Wann?

Vieles in unserem Leben bleibt flüchtig. Oberflächlich, unernst. Da helfen keine Ausflüchte. Da heißt es nur mehr: Ab in die Wüste. Weg von der Ablenkung.
Hinein in die Einsamkeit, in die Herausforderung. Damit wir wieder Gott hören.

Im Säuseln und im Sturm. Wenn wir wieder unser Herz schlagen hören.

FLUCHT_WEGe sind lebensnotwendig. Mit oder ohne Wüste.

 

6 UM_WEG

Irgendwann geht jede/r einen. Manchmal gern, obwohl vielleicht verboten, hin und wieder gezwungenermaßen. Einen UM_WEG.

Der Weg abseits der ausgetretenen ausgewiesenen Pfade. Der UM_WEG, der ungeliebte Weg. Trotzdem oft gegangen. Ein Zweitweg, eine Alternative. Ob in der freien Natur oder im Leben: Ein RundherUM_WEG. Die scheinbare Abkürzung.

Als Kind ging ich oft und gerne UM_WEGe beim Nachhauseweg von der Schule. Erkundete das Gelände, erforschte die Umgebung. Das hieß vom rechten Weg abweichen, eine andere Richtung nehmen. Es war spannend und manchmal recht schmerzhaft. Da spielte Zeit noch keine Rolle. Heutzutage möchte niemand einen UM_WEG machen.

„Mein Leben besteht aus lauter UM_WEGen“, sagte vor kurzem eine verbitterte Frau. „Nie erreiche ich mein Ziel. Dauernd weiche ich vom Lebensplan ab.“ Geht es nicht jedem so? Manchmal ist ein UM_WEG notwendig, überlebenswichtig. Oder Zufall. Unerwartet und ungelegen. Ohne Ankündigung passiert.

Jesus scheute jedenfalls keine Mühe und keinen UM_WEG, zu den Menschen zu gehen. Ihnen von seinem Vater – im Himmel – zu erzählen, und ihnen seine Liebe begreiflich zu machen. Jesus wich ab von der vorgegebenen einspurigen Route in ein geordnetes Leben. Immer wieder hören wir, wie er ausscherte und sozusagen einen „UM_WEG“ ging, um bei den Menschen zu sein. Bei jenen, die ihn brauchten, seine Hoffnung und seine Lebensfreude, seine Güte und seinen Glauben an einen barmherzigen Gott.

Wir sollten in der Fastenzeit öfter Seinen UM_WEG gehen. Zu unseren Nächsten. Nicht nur die asphaltierten Straßen benützen, die sich durch unsere Lebenslandschaft ziehen, sondern, wenn nötig, auch am Rande der Straße aufhalten, den Menschen abseits der Hauptstraße des Lebens unsere Zeit und Aufmerksamkeit schenken.

Die Fastenzeit ist kein UM_WEG unseres Glaubens. Christliches Fasten heißt konsequent nach Gott fragen und mit Jesus Christus zu leben versuchen.
UM_WEGe wird es immer geben. Geben müssen, damit wir auf Seiner Spur bleiben.

 

7 LEBENS_WEG

Unser Leben ist ein Weg. Keine Frage. Bloß: Wie sieht dieser LEBENS_WEG für mich persönlich in einem Bild aus? Ist es das Bild einer breiten Autobahn, ein idyllischer Waldweg, eine Gasse mit vielen geschäftigen Menschen, eine moderne Brücke zwischen zwei Ufern, ...?

Welches Weg-Bild für LEBEN wähle ich? Verbunden mit all dem, was dazugehört, mit all den Kreuzungen, Haltestellen, Sackgassen, Einbahnstraßen? Kurt Haberstich meint: „Jeder Weg fordert auf, aufzubrechen. Leben ist Unterwegssein.“ Leben ist nicht nur der Weg, Leben ist Suche. Die Suche nach dem für mich passenden Weg.

Hanni Neubauer formuliert es sehr griffig:

Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich nicht ersticke im Berg der Arbeit.
Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich mich nicht verliere im Irrgarten der Gedanken.
Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich wieder sehe in dem Nebel meiner Wünsche.
Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich mich wieder höre in der Wirrnis der Stimmen.
Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich mich wieder öffne für die Welt, für den anderen, für Gott.
Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich wieder ich selber bin und nicht nur ein Schatten.

Martin Luther brachte es auf den Punkt: „Dieses Leben ist nicht Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht ein Gesundsein, sondern ein Gesundwerden, überhaupt nicht ein Wesen, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sinds noch nicht, wir werdens aber. Es ist noch nicht getan und geschehen- es ist aber im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg!“

Leben als Weg. Ein Wagnis, eine Übung und täglicher Neubeginn. Wir wissen jedoch: Gott geht unsere Wege mit. Und wir vertrauen auf den, der von sich sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“

Für die Fastenzeit heißt das: Ich breche auf und reise los. Komm, gehen wir uns suchen, heute und morgen, damit wir das Leben wieder finden, und es in Fülle haben...

 

2006

1 AUS_WEG
2 LABYRINTH
3 SCHATTEN_WEG
4 STERNEN_WEG
5 FLUCHT_WEG
6 UM_WEG
7 LEBENS_WEG