Eines der tiefsten Geheimnisse des Menschseins ist der Traum. Die Nacht und der Traum sind ein unzertrennliches Paar. Denker, Philosophen und Dichter aus allen Kulturen bestätigen: Im Traum liegt ein Schlüssel zum Verständnis unseres Lebens. Und irgendwo las ich: Der Traum sei die verschlüsselte Sprache Gottes.
Alle Menschen träumen. Manche sehr intensiv, andere wissen nach dem Aufwachen nichts von ihren Träumen. Sie sind aber da, sie bestimmen unser Leben mit. Sie bieten uns eine Botschaft an. Es kommt nur darauf an, wie wir damit umgehen.
In der „Erzählung der Chassidim“ gibt es 
        die Geschichte von Rabbi Eisik, dem Sohn Rabbi Jekels in Krakau. Nach 
        Jahren schwerer Not hatte er im Traum vernommen, er solle nach Prag gehen 
        und dort an der Brücke, die zum Königsschloss führt, nach 
        einem Schatz suchen. Als der Traum zum dritten Mal wiederkehrte, machte 
        sich Rabbi Eisik auf und wanderte nach Prag. Aber an der Brücke standen 
        Tag und Nacht Wachtposten, und er getraute sich nicht zu graben. Doch 
        kam er jeden Morgen zur Brücke und umkreiste sie bis zum Abend. Endlich 
        fragte ihn der Hauptmann der Wache, auf sein Treiben aufmerksam geworden, 
        freundlich, ob er hier etwas suche oder auf jemanden warte. Rabbi Eisik 
        erzählte, welcher Traum ihn aus fernen Landen hergeführt habe. 
        Der Hauptmann lachte: „Und da bist du armer Kerl mit deinen zerfetzten 
        Sohlen einem Traum zu Gefallen hergepilgert? Ja, wer den Träumen 
        traut! Da hätte ich mich ja auch auf die Beine machen müssen, 
        als mir einmal im Traum befohlen wurde, nach Krakau zu wandern und in 
        der Stube eines Juden, Eisik, Sohn Jekels, sollte er heißen, unterm 
        Ofen nach einem Schatz zu graben. Eisik, Sohn Jekels! Ich kann‘s 
        mir vorstellen, wie ich drüben, wo die eine Hälfte der Juden 
        Eisik und die andere Jekel heißt, alle Häuser aufreiße!" 
        Und er lachte wieder. Rabbi Eisik verneigte sich, wanderte heim und grub 
        den Schatz aus. 
        Rabbi Bunarn von Pzysha pflegte dieser Geschichte hinzuzufügen: „Hör 
        zu, was sie dir sagt: Es gibt etwas, das du nirgends in der Welt, auch 
        nicht beim Zaddik (Lehrer) finden kannst, und es gibt solch einen Ort, 
        wo du es finden kannst. Grab nicht woanders, grab bei dir!“
Diese Traum-Geschichte fasziniert mich stets von neuem. Ich finde es spannend, dass Eisik in die Fremde aufbrechen muss, um dort zu erfahren, dass er den Schatz nicht in der Fremde suchen muss, sondern zu Hause. Ein Traum weist den Weg. Zu sich. Zum Schatz, der bereitliegt.
Auch Josef erfährt im Evangelium des Matthäus 3x im Traum von seinem Auftrag, von seiner Bestimmung, von der Fürsorge Gottes. Der Engel überbringt ihm die Botschaft. Seine Fragen und Zweifel werden ausgeräumt. Im Traum spricht Gott zu ihm. Auch er hört auf den Traum, tut, was Gott ihm sagen will.
Träumen heißt nicht, sein Leben verschlafen. 
        Im Gegenteil: Sie halten unsere Sehnsucht wach und geben dem Leben eine 
        „große“ Richtung. Ulrich Schaffer schreibt: „Träumen 
        heißt, schöpferisch werden und in die Schuhe Gottes treten.“
        Träumen wir im Advent vom Leben in der Liebe Gottes und … leben 
        wir unsere Träume!
      
Helmut Loder 
    helmut [at] lodernet [punkt] com 
    
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