HELMUT LODER'S Adventkalender
2011 HALT AN |
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2011 - Halt an

21. Dezember

Advent: Eine Rolltreppe ins Nichts?

Einige Tage vor Beginn des Advents wartete ich mit vielen anderen Neugierigen auf die Eröffnung des neuen Kunstviertels Joanneum in Graz. Auf Einlass. Alles war neu gestaltet, der Eingangsbereich ins Museum unter die Erde verlegt worden und nur durch auf den Kopf gestellte trichterförmige verglaste Kegelöffnungen zu erreichen. Mit einer relativ steilen Rolltreppe gelangt man ins Museum. Das ist auch schon mein Stichwort: Rolltreppe.
In größeren Gebäuden wie Kaufhäusern gehören Rolltreppen zum normalen Inventar. Und im Advent werden sie von den Konsumenten sehr gern und
ausgiebig benutzt. Für mich sind Rolltreppen zwiespältige Fortbewegungsmittel. Zum einen erlebe ich sie als bequem, angenehm, andererseits behalte ich mir noch ein schmales Segment von Misstrauen und Respekt vor. Ich traue Rolltreppen nicht ganz. Ich gehe lieber zu Fuß. Ich gehe lieber selbst.
Ich lasse mich nicht so gern „gehen“.

Im niederösterreichischen Leobendorf haben die Künstler Folke Köbberling und Martin Kaltwasser eine ausgebaute Rolltreppe vor einer Schule als
Kunstwerk in die Landschaft gestellt. Sie funktioniert nicht, sie „rollt“ nicht. Sie lädt einzig und allein dazu ein, dass man auf ihr auf- und abspazieren oder laufen kann. Für die Kinder der Umgebung ein wunderbarer Spielort. Wütende Proteste über sinnlose Geldverschwendung waren zuerst die Folge. Dem Direktor der angrenzenden Musikschule und den Kindern gefällt sie dennoch. Eine Rolltreppe, die nicht „rollt“, die nicht funktioniert.
Einfach nur ein faszinierendes Spielobjekt ist. Zwar eingeschränkt und mit wenig Entfaltungsmöglichkeiten in praktischer Hinsicht, aber immerhin ein intensiver Nachdenkimpuls für die Menschen in der Gemeinde.
Hat das nicht auch viel mit unserer Erfahrung von Advent zu tun? Es geht in diesen Tagen – wenn man sich darauf einlässt – in die Tiefe unseres Glaubens, mehr als zu anderen Zeiten, eröffnet neue Wahrnehmungsperspektiven und ist eine sehr gute Einladung, die Gottes- und Christusbeziehung wieder aufleben zu lassen. Wenn man sich öffnet …

Andererseits ist der Advent auch so wie die ausrangierte, abgebaute, ausverkaufte Rolltreppe im Niemandsland, die vordergründig zu nichts mehr dient. Ich kann nirgendwohin kommen. Der Advent als leere Zeit, noch notdürftig ausstaffiert und verbunden mit den vielen Klischees und Accessoires wie Adventkranz, Kerzenlicht, und Einkaufsverpflichtung, aber mit wenig Rückbindung an religiöse Inhalte. Eine Zeit, die so hochgerüstet wurde, dass viele sagen: Ich mach da nicht mehr mit.
Ich fahre nicht Rolltreppe.

Ist der Advent eine Rolltreppe ins Leben und Glauben oder ein „Potemkinsches Dorf“?

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