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Otto Strohmaier

Abt Otto Strohmaier
Geb. 15.3.1937 in Halltal bei Mariazell,
1957 Eintritt in die Benediktinerabei St. Lambrecht,
1963 Priesterweihe,
tätig als Novizenmeister, Prior, Exerzitienleiter, Seelsorger, Ikonenmaler,
geistlicher Begleiter,
seit 1982 Abt von St. Lambrecht

2007

Die Muttergottesikone

Noch immer sehe ich mich als Bub durch die Wallfahrtskirche Mariazell laufen und am Gnadenaltar kurz anhalten, niederknien und ein wenig beten vor der so genannten Gnadenstatue. Ich könnte nicht sagen, dass ich eine ganz besondere Beziehung zu Maria gehabt hätte. Dennoch zog es mich ganz selbstverständlich zum Gnadenaltar. Sicher ergab sich für mich daraus ein Gefühl der Geborgenheit.

Die stark emotional geprägte Marienverehrung, wie ich sie bei den vielen Wallfahrern erlebte, zog mich eigentlich nicht an, vor allem nicht im kritischen jugendlichen Alter.
Als junger Mönch, der in Rom Theologie studierte, war ich eigentümlicher Weise von einer Mutteergottesikone angesprochen, die ich in Gestalt eines kleinen Bildchens in einem kirchlichen Gesangsbuch hatte. Ich wusste irgendwie um die besondere Bedeutung dieser Ikone. Es war die so genannte Wladimirskaja, eine ursprünglich griechische Ikone, die nach Russland kam und dort zur wahrscheinlich am meisten verehrte Muttergottesikone wurde.

Sie wirkte auf mich nicht gerade anziehend in ihrer Herbheit, Strenge und einer gewissen Trauer. Doch immer wieder schaute ich sie an und zwar während der Sonntagsvesper beim Singen. Immer fragte ich mich, was dieses Bild Besonderes an sich hätte. Irgendwann, nach Jahren, gingen mir die Augen mehr und mehr auf und ich erspürte in der Herbheit des Gesichtes Mariens eine wohltuenden Echtheit und Kraft, in der Wehmut der Gesichtszüge ein tiefes Wissen um das grenzenlose Leid der Menschen und gerade auch des russischen Volkes und in der unendlich zarten Hinneigung zum Kinde und umgekehrt des Kindes zur Mutter eine berührende Innigkeit der Beziehung und in Maria eine starke und über alles zu Sentimentale erhabene Mütterlichkeit.

So half mir diese Ikone, von einer allzu gefühlsbetonten und emotional überschwänglichen Verehrung Mariens zu einer theologisch und biblisch gesund begründeten Beziehung zu Maria zu finden, zu der man als Mönch und Mann gut stehen kann.