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Sepp Faist

Dir. Sepp Faist,
geboren 1950, seit 25 Jahren Direktor des Religionspädagogischen Institutes Graz, Schulbuchautor, Komponist von vielen bekannten religiösen Liedern für die Grundschule.

2007

Maria - Mensch unter Menschen!
Du fragst, wer Maria ist, was sie mir bedeutet? Kindheitserinnerung wird lebendig. Maiandacht. Ein Gemeinschaftsereignis der besonderen Art. Zuerst ein feierliches Ritual am Marienaltar. Ich als Ministrant ganz vorne dabei. Und dann: gemeinsames Spiel mit Freunden rund um die Kirche. Täglich ein feierlich-fröhliches Miteinander am frühen Abend.
Seit damals klingen Marienlieder nach. „Wende, o Mutter und Königin du, deine barmherzigen Augen mir zu...“ Süßer Duft von weißem und violettem Flieder, von Maiglöckchen am Altar liegt in der Luft. Bilder erwachen. Die schöne junge Frau mit dem Kind am Arm. Ihr Blick. Ihre Aura. Liebevoll schaut sie auf das Jesuskind. Aber „die Schönste aller Frauen“, wie die Christen die Mutter des Jesus von Nazaret seit Bernhard von Clairvaux und Thomas von Aquin nennen, schaut auch mich an, bilde ich mir ein. Ihr Blick berührt und fasziniert. Zuwendung wird spürbar, Vertrauen erfahrbar. Wer möchte nicht eine solche Frau als seine Mutter, Schwester, Freundin? Ihr An -Blick umfängt, bestärkt, begleitet mich. Mit zunehmendem Alter interessiert die Lebensgeschichte dieser Frau aus Nazaret. Manches wurde mir klar, einiges bleibt unverständlich. Ihr Fragen und Suchen, ihr Schweigen und Staunen, war mir Orientierung im eigenen Glaubensprozess. Ein Leitwort begleitet mich: Sie bewahrte und bewegte es in ihrem Herzen!“ Religionsunterricht, Predigt und das Studium der Hl. Schrift geben der biblischen Gestalt Profil und Kontur. Nicht Schönheitsideale und religiöse Vorstellungen bestimmten nunmehr mein Bild, sondern die anschauliche Erfahrung der Lebensrealität und die Gewissheit der Nähe eines Gottes mit uns.
So ist Maria für mich eine liebevoll besorgte Mutter. Eine verständnisvoll wegweisende Schwester. Eine charmante starke Frau, die aus der Gnade Gottes gelebt, geliebt und im Glauben die Krönung ihres Lebens gefunden hat. Maria ist und bleibt für mich eine verehrungswürdige Frau, weil sie ein Mensch unter Menschen war, offen für das Geheimnis, für die Spontaneität Gottes, für die Kraft des Heiligen Geistes.

Ein Marienbild für heute hat die Künstlerin Andrea Viebach 2004 in der Pfarrei St. Maximilian Kolbe in München/Neuperlach geschaffen. Über einem schlichten Sockel aus hellgrau-rötlichem Untersberger Marmor erhebt sich eine hochrechteckige Stele aus leuchtend weißem Alabastergips. Einem Model gleich, gibt die Stele eine Hohlform frei, deren Konturen die reduzierten Züge einer stehenden Frau mit Kind tragen. Allgemein, archaisch und von zeitloser Würde. Mittels Projektion wird in diese Hohlform ein Bild von einer Frau mit Kind auf dem Arm geworfen. Dieses eine Bild ergibt sich aber aus fotografischen Aufnahmen von dreizehn Müttern mit ihren Kindern aus der Pfarre, die übereinander gelegt und per Computerbearbeitung zu einem einzigen, gleichsam „universalem‘ Bild verschmolzen sind. Auf den ersten Blick vertraut, stellt sich bei längerer Betrachtung ein vielfältiges, verstörendes und im wörtlichen Sinn „verdichtetes“ Bild ein. Ein lebendiges Bild. Maria nicht hoheitsvoll entrückt, sondern in Augenhöhe als unter den Menschen gegenwärtig erfahrbar. Sobald der Betrachter in den Projektionskegel tritt entschwindet das projizierte Bild und es bleibt lediglich die Hohlform sichtbar. Das erstaunt und irritiert. Es zwingt den Gläubigen, das Manenbild in sich selbst zu suchen. Durch Maria zu Christus! Grundprinzip jeder Marienverehrung. Nicht das Bild selbst ist Ziel der Andacht, sondern die sich dahinter verbergende, nicht sichtbare Wirklichkeit. Das Bild will vielmehr Helfer und Mittler sein, so wie Maria, als „auxiliatrix“ und „mediatrix‘ - als Helferin und Mittlerin - zwischen Gott und den Menschen vermittelt.