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Alfred Jokesch

Alfred Jokesch
Geb. 1967 in Salzburg, Studium der Theologie in Graz und München, Priesterweihe 1994, derzeit tätig in der Pfarre Graz-St. Leonhard, im Pflegezentrum Kainbach, redaktioneller Mitarbeiter beim Sonntagsblatt und als geistlicher Assistent der DSG, mehrjährige Aktivität im Bereich Theologie und Film.

Zum Bild: Motiv des Filmplakats von „Maria voll der Gnade“, Regie: Joshua Marston, USA/Col 2004

2007

Maria - voll der Gnade?

Maria kommt aus dem Bergland. Nicht dem von Galiläa, sondern aus dem von Kolumbien. Sie ist siebzehn und ein selbstbewusstes, aber auch verletzliches Mädchen. In einer Blumenfabrik produziert sie Rosen ohne Dornen. Sie lässt sich von den Mächtigen nicht länger erniedrigen und schmeißt ihren Job hin, denn sie ist schwanger, aber nicht vom Heiligen Geist. Von ihrem Freund Juan, der sie zu sich nehmen und heiraten will, trennt sie sich – nicht unbedingt in aller Stille. Ein Leben mit ihm wäre nicht die große Verheißung. Und ihr Engel Gabriel ist ein Bote des Unheils. Er fährt ein cooles Motorrad, nimmt sie mit nach Bogota und wirbt sie als „Maultier“ an, als Drogenkurierin in die USA.
Wenig später sitzt Maria im Flieger nach New York mit 62 Päckchen Heroin in ihrem Magen. Wenn alles gut geht, ist sie mit einem Schlag ihre und ihrer Familie Geldsorgen los. Wenn sie erwischt wird, oder gar eines der Päckchen in ihrem Körper aufplatzt, dann gnade ihr Gott…
Was Maria antreibt, ist die tiefe Sehnsucht nach einem besseren Leben. Sie setzt riskante Schritte der Befreiung aus der Repression in ihrer Familie und an der Arbeitsstelle und will sich den Strukturen von Ausbeutung und Unterdrückung entziehen. Die Vision ihres ganz persönlichen Magnificats vor Augen kämpft sie sich durch die Abgründe des Lebens – wenn auch mit wenig adäquaten Mitteln – in einem Milieu, das kaum Platz lässt für Träume.
Maria und die Männer? Da ist der wenig geistreiche Freund, der rücksichtslose Vorgesetzte in der Fabrik und die zuerst freundliche, dann aber knallharte Drogengang, die über Leichen geht. Vertrauen erweckend wirkt nur ein väterlicher Jobvermittler, der sich in New York fürsorglich um die Mädchen annimmt, als ihnen ihre Mission immer mehr über den Kopf wächst. Die Botschaft: In einer gnadenlosen Männerwelt kann Maria nur unter die Räder kommen. Trotz allem hält der Schluss die Hoffnung offen, dass sie und ihr Kind Erbarmen finden und einer gesegneten Zukunft entgegen blicken können.
Weit jenseits jeder Frömmigkeit versucht der Film „Maria voll der Gnade“ zu skizzieren, wie heute das Leben Marias aussehen könnte, wie sich in heutigen Strukturen des Unheils Menschwerdung ereignen kann. Ein Gedankenexperiment, das sich der Gefahr einer pietistischen Überhöhung Marias schonungslos entgegenstemmt.