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Christian Brunnthaler

Christian Brunnthaler, geboren 1962 in Eisenerz, Theologe und Religionspädagoge, unterrichtete an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Er ist Mitautor von Religionsbüchern für die Sekundarstufe II und arbeitet seit Jahren in der Erwachsenenbildung und der LehrerInnenbildung.

2007

Nah und doch fremd

Maria ist wohl die meist abgebildetste Person des Christentums. Wenngleich die Heilige Schrift an ihr nur wenig Interesse zeigt, so umso mehr die Kunst. Mariendarstellungen können polarer nicht sein: da ist das 16jährige schwangere Mädchen, dort die schmerzverzerrte Frau unter dem Kreuz, die besorgte Frau, die unter ihrem Mantel die Menschen beherbergt usw. Sie ziert Kirchenwände und Andachtswinkel und wird auf Unterwäsche gedruckt.
Maria gehört seit meiner Kindheit zu meinem Leben. In Eisenerz, meiner Geburtsstadt, gibt es die jährliche Dankwallfahrt nach Mariazell, bei der ich seit meiner Ministrantenzeit mitpilgerte. Die Lieder, die wir auf dem manchmal schneebedeckten und stürmischen Weg gesungen haben, klingen in meinem Ohr nach: „Wunderschön prächtige, hohe und mächtige, liebreich holdselige, himmlische Frau, …“, „Meerstern, ich dich grüße, O Maria hilft! Mutter Gottes süße, O Maria hilf!“
Ich konnte mich den Melodien nicht entziehen. Als Jugendlicher begann ich Fragen zu stellen: Was bedeutet: Sie hat sich ganz hingegeben? Wie geht das mit der Jungfräulichkeit? Kann eine einfache Frau Gott zur Welt bringen? Auch als Erwachsener kommen mir immer Fragen: Maria ist das Urbild der Kirche? Was ist reiner Glaube? Was bedeutet Gottesmutterschaft? u.v.m.
Marienwallfahrtsorte üben eine Faszination auf mich aus und sind sehr polar. Die Polarität Mariens und ihrer Wirkungsgeschichte in der pilgernden Kirche lassen mich nicht los. Die Erzählung der Hochzeit zu Kana ist mir ein Schlüssel zum Verständnis geworden. Jesus fragt und grenzt sich zugleich sehr hart von seiner Mutter ab: „Was habe ich mit dir zu schaffen?“ (Joh 2,4 vgl. 1 Kön 17,18) Ist sie ihm zu nahe getreten? Hat sie mütterlich gut handeln wollen, doch es war zu viel des Guten? Diese menschliche Idee von Maria lässt sie geerdet erscheinen. Sie vermag die Polarität verständlicher werden zu lassen ohne sie aufzuheben. Sie wird nah und bleibt doch fremd.

Das Bild zeigt „Maria Sechsfinger“ aus Maria Laach am Jauerling. Es zeigt mir etwas Ungewöhnliches und doch eine vertraute Frau, die Gottesmutter. Die Legende sagt, der Künstler habe absichtlich 6 Finger an die Segenshand gemalt. Man versuchte, sie zu übermalen, doch sie kamen immer wieder zum Vorschein.